16. April 2004
Ich will euch heute
die Geschichte von einem Sternenkind erzählen, die mir
selbst in den Schoß gefallen ist. Jedem sei es frei
gestellt, daran zu glauben, dass diese Geschichte die
Wahrheit und nichts als die Wahrheit ist. Sicher kann man
sie auch ganz anders erzählen, aber so ist sie tröstlich für
mich und für das Sternenkind.
Ein neues
Sternenkind macht sich auf den Weg.
Im wolkenweichen
Himmelsgetümmel warten viele kleine, leuchtende Sternchen
auf ihre große Reise zur Erde. Die guten Engel haben alle
Hände voll zu tun in dem Getümmel den Überblick zu behalten.
Jedes kleine Sternlein hat viel Zeit sich auf sein Erdensein
vorzubereiten. Eltern ausgucken, Geschwister schon vorher
auf die Reise schicken, sich von seinen zukünftigen
Geschwistern verabschieden und vor allem ganz, ganz viel
lernen für das Leben auf der Erde. Da gilt es auch, sich
einen Namen auszusuchen, den es vom ersten Tag an auf der
Erde nun tragen wird. Jedes Sternlein hat auf der Erde
wichtige Aufgaben zu erfüllen.
Und so kam es,
eines Tages im April vor nunmehr 18 Jahren, dass ein recht
kleines Sternlein, das vor lauter Aufregung ganz besonders
hell strahlte, seinen großen Engel bat, nun seinen Weg
antreten zu dürfen.
Auf der Erde war es
noch dunkle Nacht und es nieselte ganz leise. Doch all das
machte dem Sternenkind nichts aus. Es wollte nun endlich bei
seinen ausgesuchten Eltern in den Armen strahlen und ihnen
Freude und ganz viel Liebe und Wärme bringen.
Der gute Engel
begleitete das kleine Sternlein ans Himmelstor und erklärte
ihm, dass es auf der Erde viel Freude haben werde. Es werde
ein besonders fröhliches Erdenkind, mit sehr geschickten
Händen. Es wird viel Anteil am Leben der anderen
Erdenmenschlein nehmen und ihnen Freude in ihr Herz bringen.
Er sagte dem kleinen Sternlein aber auch, dass es nicht wie
andere sehr lange auf der Erde bleiben könne.
Es müsse, wenn es
einen ebenso schön strahlenden Stern gefunden habe, zurück
zum Himmelsgetümmel, um dann wieder recht hell am Himmel zu
leuchten und den Menschen von hier oben den rechten Weg zu
zeigen.
Noch verstand das
kleine Sternlein nicht alles, was der gute Engel zu ihm
sprach, aber es strahlte mit aller Kraft. Und so begab es
sich auf die große, unbekannte Reise.
In den Armen seiner
neuen Eltern angekommen, probierte es gleich seinen neuen
Namen aus. Alle riefen das kleine Sternlein von nun an
Sandra, genau so, wie es sich das vorgestellt hatte.
Diesen Namen hatte
sich das Sternlein mit großem Bedacht aus tausenden anderen
herausgesucht und dem neuen Papa leise ins Ohr geflüstert.
Sandra – die
Beschützerin – und es gab so vieles in dem neuen
Erdenleben zu beschützen!
Als das
Menschenkind Sandra selbst noch recht klein war, sorgte es
sich schon um sein noch kleineres Brüderchen Christoph.
Außerdem sorgte es sich immer um die zurückgebliebenen
Sternlein im Himmelszelt. Und das ging ja am besten in den
dunklen Nächten, denn dann konnte es alle da oben am
Himmelszelt sehen. Manchmal wunderte sich die Mama gar sehr,
warum das kleine Sternen-Mädchen des Nachts nicht so recht
schlafen konnte. Es war eben seine Art mit den anderen
Sternlein in Kontakt zu bleiben.
Aber auch dieses
kleine neue Erdenmenschlein bedurfte eines großen Schutzes.
Und den bekam es auch im Übermaß von seinem größeren
Brüderchen Robert und seinen Eltern.
Die kleine Sandra
strahlte jeden an, der ihr auf der Erde nur recht freundlich
begegnete. So wie im Himmelsgetümmel. Ihren Erdeneltern
machte sie viel Freude, auch ihren Großeltern und sogar
Urgroßmütter, die es ja auch noch gab. Und alle herzten und
liebten das kleine Menschlein. Viele sahen immer das ganz
besondere Strahlen, das von dieser kleinen Sandra ausging.
Ein wirkliches Sternlein im Weltengetümmel.
Und so wuchs das
kleine Sandra-Mädchen heran in seiner Familie begleitet von
seinen Eltern und seinen beiden Brüdern.
Bald entdeckte
Sandra, dass sie mit ihren kleinen Händchen ganz besondere
Dinge herstellen konnte. Sie konnte schnippeln und kleben
und malen mit allem, was die große, weite Welt so zu bieten
hatte. Und immer, wenn einer ihrer liebsten Menschen
Geburtstag hatte, dann brachte sie ihm was von ihren kleinen
Händchen mit und zauberte so ein Strahlen in das
Geburtstagsgesicht. Und das Strahlen erinnerte sie wieder an
ihr Himmelsgetümmel mit den vielen kleinen Sternlein. Und
sie erinnerte sich manchmal an die Worte ihres guten Engels
und prüfte ganz still, ob sie schon das richtige Sternlein
gefunden habe.
Das kleine
Sandra-Mädchen hatte viel Freude an allem, was sie auf der
Erde lernen konnte. Leidenschaftlich gern tanzte sie mit
anderen Erdenkindern. Sie drehte sich und drehte sich und
fühlte sich ganz frei und strahlte bei jedem Schritt, der
ihr gelang. Sie ging auch recht gern zur Schule, auch wenn
das auf der Erde ganz anders war, als sie es von ihrem
Himmelsgetümmel kannte.
Auch die Tiere
hatten es ihr angetan. Sie versuchte sich in der Kunst des
Reitens. So manches mal blickte die Sandra-Mama nur
verwundert, wie ihr kleines Mädchen ohne Scheu die großen
Pferde putzte und striegelte, sich in deren Boxen wagte und
ohne Mühe sich auf den hohen Pferderücken schwang.
Jedes andere Tier,
was in dieser Familie ein zu Hause fand, wurde mit Liebe und
Fürsorge vom Sandra-Kind bedacht. So schmuste sie ausgiebig
mit dem schwarzen Kater Strolch, kümmerte sich auf den
Urlaubsreisen um ihn, so dass er nicht verloren ging.
Für ihr Häschen
Gismou bekam sie von ihrem Papa einen Hasenstall gebaut, den
sie noch mit Brüderchen Christoph mit Farbe versah. So war
sie sehr stolz auf die Häschenwohnung. Im Winter durfte
Gismou in ihrem Zimmer wohnen.
Einmal, an einem
späten Winterabend, fand die Familie ein Jgeljunges. Das
Sandra-Kind durfte es in Mamas Schal gewickelt nach Hause
tragen. Fortan wohnte der kleine Gast im Bad, bekam den
Namen Moritz und wurde vom Sandra-Kind und seiner Mama
gepflegt, bis das neue Frühjahr kam.
Eine große Freude
waren für das Sandra-Mädchen ihre „Weihnachtsmäuse“ Spidi
und Gonzales. Sie trug sie in ihren Ärmeln durch die Wohnung
und war begeistert, wenn die beiden in ihrem Zimmer alles
absuchten und vor lauter Neugierde in allen Ecken Männchen
machten. Das Sandra-Kind mochte jedes Lebewesen, auch
Spinnen, Schlangen, Frösche – einfach alles versetzte sie in
Entzücken.
Das kleine
Sandra-Mädchen liebte aber auch ihre Freunde, Jungen wie
Mädchen gleichermaßen. Und einige waren ihr besonders ans
Herz gewachsen. Mit denen konnte sie ganz viele schöne,
gemeinsame Dinge machen: „Siedler“ und andere Spiele
spielen, Inline-Skates und Fahrrad fahren, basteln, malen,
verstecken, …. Aber am allerschönsten war es für das
Sandra-Mädchen, wenn sie mit ihren Freunden gemeinsam die
Nacht verbringen und dabei die vielen Sternlein beobachten
konnte.
Und weil ihre
Eltern es gut fanden, dass Kinder ganz viel an der frischen
Luft sind, reiste Sandra jedes Wochenende mit ihnen an einen
Platz, auf dem keine festen Häuser sondern nur Anhänger mit
Fenstern und Zelte standen. Sie spielte und tobte dort ganz
ausgelassen mit ihren Brüdern und Freunden. Sie schwamm im
Seewasser und versuchte sich im Fische angeln. Und spät
abends schaute sie zum Himmelszelt, bewunderte die
Sternschnuppen und winkte ihren Sternengeschwistern. Dort,
an diesem Platz, war sie den Sternen noch viel näher. Sie
liebte die sternenklaren Nächte.
Etwas machte dem
kleinen Sandra-Mädchen noch besonderen Spaß. Sie liebte es
aus vielen hundert einzelnen Teilen schöne Bilder zusammen
zu setzen und saß oft stundenlang mit großer Engelsgeduld
vor diesem großen Durcheinander. Nichts konnte sie davon
abbringen, auch das letzte Teilchen noch an die richtige
Stelle zu setzen.
Als das
Sandra-Mädchen noch größer wurde, wuchs sie zu einem
besonders schönen Erdenkind heran.
Ihre Eltern,
betrachteten sie mit großem Stolz. Sie hatte schon so viel
gelernt. Sie hatte gelernt anderen gut zu zuhören, ihnen in
Kummer und Sorgen beizustehen.
Sie konnte aber
auch so fröhlich sein, zusammen mit ihren Freunden das Leben
hier auf der Erde so richtig genießen. Und jeder der sie
kannte bemerkte recht schnell, dass es ein Sternenkind sein
musste, denn sie liebte die Nächte immer noch sehr.
Ihrer Mama war sie
eine große Hilfe geworden. Wenn einer ihrer Lieben ein Fest
feierte, dann zauberte Sandra herrliche Kuchen. Sie
schmeckten allen Gästen ganz köstlich. Außerdem verstand sie
sich bestens darauf mit ihren geschickten Händen, die
Festtagstische in Kunstwerke zu verwandeln. Und so recht oft
kümmerte sie sich liebevoll um ihren Papa und ihre Brüder,
wenn die Mama mal nicht zu Hause war.
Manchmal machte das
Sandra-Kind aber auch Erfahrungen, die wohl in einem
jugendlichen Alter gemacht werden müssen, um daran zu reifen
und zu wachsen. Sandra war aus dem Sternbild des Widders und
so kamen hin und wieder auch ganz „widderliche“ Hörner zum
Vorschein. Mit diesen führte sie so manches Wortgefecht,
rieb sich an so manch anderen Menschen und versuchte damit
auch die eine oder andere Wand um zu reißen.
Nicht immer waren
ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt und für so einiges nahm
sie gern die helfenden Hände ihrer Eltern in Anspruch. In
einigen Sachen musste sie aber auch lernen, dass jedes Ding
auf Erden zwei Seiten hatte und so mancher gefochtene Kampf
nicht wirklich nützlich war. Aber das Sandra-Kind lernte ja
noch und bemühte sich sehr, es beim nächsten Mal besser zu
machen.
So wuchs und wuchs
das Sandra-Kind nun schon über 16 Jahre heran. Als sich das
Jahr 2002 in sein letztes Viertel begab, lernte Sandra einen
jungen Mann namens Tim kennen, der tief in ihr drin etwas
Neues erweckte. Sie konnte sich kaum satt sehen an seiner
Schönheit. Sie liebte es, ihre freie Zeit mit ihm zu
verbringen, zu tanzen, zu erzählen, Musik zu hören und noch
vieles mehr. Und immer, wenn sie in seine Augen sah, hatte
sie das Gefühl, dass sie mehr leuchteten als alle Augen, die
sie bisher gesehen hatte. Eine tiefe Sehnsucht nach ihrem
Sternengetümmel erweckte in ihr. Immer öfter schaute sie zum
Himmelszelt.
Nun ja, und ihr
lieber Engel im Sternengetümmel schaute oft zu ihr auf die
Erde, beobachtete ihren Werdegang und reichte ihr beim
Groß-Werden so manches Mal die Hand. Er hatte wohl gesehen,
dass das Sandra-Kind nun seinen Stern gefunden hatte, der
eben so hell strahlte, wie es selbst. Und so war die Zeit
gekommen, dass nun beide Sternlein zurück mussten ins
Himmelsgetümmel.
Der liebe Engel kam
am 22. Dezember am frühen Morgen herab auf die Erde und nahm
beide Sternenkinder liebevoll an die Hand. Sie freuten sich
sehr ihn zu sehen und begannen so dann ihm alles zu
erzählen, was sie als Erdenkinder erlebt hatten. Und so
wanderten sie Hand in Hand auf einem Mondstrahl zum Himmel.
Ein Engel mit zwei Sternenkindern, die für kurze Zeit
glückliche Erdenkinder waren. Und wer meint dass alles kann
sich so nicht zugetragen haben, der möge seinen Blick in
einer sternenklaren Nacht zum Himmel wenden und er wird,
wenn er es tief in seinem Herzen will, sie sehen können,
all die Sternenkinder.
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