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20.12.2016

Mein geliebtes Kind,

Mein geliebtes Kind,

ein Jahr ist vergangen, das vierzehnte ohne dich. Es ist wieder die längste Nacht des Jahres und meine längste Nacht des Lebens. Wieder werden wir unten stehen, an der Stelle, an der du deinen letzten Atemzug nehmen konntest. Und während ich versuche im Alltäglichen in dieser Zeit zu bestehen, höre ich von allen Seiten von sinnlosen Toden, vom Sterben Unschuldiger und von viel zu frühen Toden.

Das Leben ist voll davon und meine Gedanken gehen zu denen, die plötzlich und unerwartet vor solch einer Situation stehen - einen lieben Menschen verloren haben - und wie erstarrt hoffen, dass die Welt anhalten möge und Stille sein möge. Und meine Tränen bekommen einen Weg zu dir. Mitgefühl, Verstehen und tiefe Trauer.

Und während ich in Gedanken ganz viel bei dir bin, erfahre ich vom Ende des Lebens einer guten Freundin aus meinem Frauenkreis. Frauen, die alle ein Kind verloren haben, sie sogar zwei. Sie ist hinter den Vorhang getreten der uns von euch, unseren Kindern, auf der anderen Seite trennt. Und mein Wunsch für sie ist, dass ihre Söhne sie begleiten mögen, dass sie sie berühren, streicheln und umarmen kann, wiedersehen mit all ihrer Sehnsucht. Aber ich denke auch an ihren Mann und ihren letzten im Hier verblieben Sohn. Wie mag es ihnen gehen?

           

Morgen werden wir wieder alle da sein, im Gedanken der Trauer vereint. In dieser Nacht kann ich nichts tröstliches finden, sie war grausam und sinnlos. Sie bleibt grausam und sinnlos.

Vor wenigen Tagen haben wir sehr viele Kerzen für euch, unsere Kinder, angezündet. Im Gedenken und Erinnern, im Reden und Trauern. Und wieder tauchte sie auf, die Frage des Loslassens. Ich musste dich loslassen vor 14 Jahren, unvermittelt, erbarmungslos und unfassbar. Ich musste deinen Körper loslassen, deine Stimme, dein Lachen, dein dich berühren können, dein Dasein. Aber nie, niemals könnte ich meine Gedanken an dich loslassen, dich in Gedanken ziehen lassen. Ich glaube nicht, dass ich dich im Hier festhalte. Ich glaube eher, wir sind durch all diese Gedanken fest und für immer miteinander verbunden. Was soll denn bleiben, wenn nicht meine Erinnerungen und Gedanken? Ich liebe dich, mein Kind und all meine Liebe kann ich dir nur geben, indem ich an dich denke.

 

Mein geliebtes Kind,

du, mein Stern am Himmel,

du, mein Flüstern in den Zweigen,

du, mein Streicheln des Windes auf meiner Haut,

du, mein Schmetterling in der Wiese,

du, meine Rose in unserem Garten ...

 

... ich denke an dich,

ich spüre und fühle dich,

ich trauere und weine um dich,

ich lächele und erinnere mich.

Ich bin dankbar für dich.

        

Fühle dich umarmt und liebevoll gestreichelt.

Im Herzen immer bei mir, überall dabei, in Gedanken gewärmt und tief geliebt

 deine Mama

 

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© I. Küster 2016

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